1.6.2012
Sucre-Puente Arce
Nachdem der gestrige Abend in Völlerei
und Halbtrunkenheit endete, fällt das Aufstehen heute verblüffend
leicht. Kein Wunder, rücksichtslose Zeitgenossen poltern sehr früh
im Hostal umher, also fange ich an mein Zeugs, das nach drei Nächten
schon gut verteilt ist, zusammen zu packen.
Der Abschied von Sucre fällt leicht,
wir hatten ziemlich viel Städte in den letzten Tagen, überall war
es auf die eine oder andere Art schön, aber jetzt lockt wieder der
Ruf der Wildnis. In der Stadt müssen wir noch über ein paar Wellen,
dann lassen wir die weniger schönen Randbezirke hinter uns und
genießen wieder den Blick in die Ferne. Auch der heutige Tag steht
im Zeichen des Höhenmeter vernichtens. Mit reichlich knackigen
Gegenanstiegen fallen wir von 2800m auf 1500m, das Alles verteilt auf
ca. 90km. Ab morgen ist dann wohl erstmal wieder ernstes Klettern
angezeigt, das Höhenprofil verspricht einiges...
Dafür haben wir heute, trotz des am
Morgen bedeckten Himmels, mit sommerlichen Temperaturen – immer
dran denken, hier ist WINTER!!! - und einem weiteren Feuerwerk an
Landschaft, Farbe und Vegetation unseren Spaß. Zu guter Letzt
stellen wir erstmals seit langem wieder unser Zelte auf. Auf einer
Wiese am Fluß, auf der tagsüber Esel, Schweine und Ziegen weiden,
kochen wir endlich Spaghetti, die schon seit San Pedro de Atacama als
Ballast dabei sind. Dazu gibt es Bier, Schokobonbons und mal wieder
einen Sternenhimmel, der nur von dem viel zu hellen Mond gestört
wird.
2.6.2012
Puente Arce-Alquile
Gut geschlafen hab ich, das steht mal
fest. Ansonsten lässt sich der Radtag in Kurzform etwa so
beschreiben:
Wetter: Bombig, fast zu warm
Landschaft: Mal wieder wie
Südfrankreich (glaub ich)
Straße: Bergauf, mittelfiese Piste,
einiges an Fluchpotential
Etwas ausführlicher:
Schon beim Abbau des Zelts ereilt mich
der erste Schweißausbruch, ich starte den Tag ohne Trikot, dafür
habe ich jetzt eine neue, rote Kante am Arm...Da wir nach Norden
unterwegs sind, werde ich von vorne gegrillt, während mein
verschwitzter Rücken von einem leisen Lüftchen soweit gekühlt
wird, das die Rückenschmerzen von neulich wieder auftreten. Mist.
Trikot anziehen hilft, ändert aber nix am Straßenzustand. Ziemlich
holperig, irgendwo liegt immer ein loser Stein, der das Rad
unkontrolliert versetzt, wenn man drüber fährt, Luft ablassen
bringt auch keine echte Besserung. Dazu steigt die Straße, wie
angekündigt, permanent an, wir holen uns heute gut 1000hm von den
gestern verbrannten wieder. Die ständige Suche nach der glattesten
Spur wird dadurch erschwert, das jedes Auto und jeder LKW eine
Staubfahne aufwirbeln, die einen mit Sichtweiten um die 25m beglückt.
Natürlich sehen Mann und Maschine entsprechend aus, den ganzen Tag
knirscht es zwischen den Zähnen. Diese Bedingungen fordern natürlich
volle Konzentration auf die Straße, daher heute kein einziges Foto
und auch nur bei den wenigen Pausen an schattigen Stellen ergibt sich
Gelegenheit, mal um sich zu schauen. Piste fahren ist zwar irrsinnig
authentisch, aber ein Fan werde ich wohl nicht mehr...;-)
Nach „nur“ 52 km endet der heutige
Radtag mit warmer Dusche in Alquile, vollmundig angekündigt als „La
Municipal de Charango“. Was das ist? Wusste ich bis vorhin auch
nicht, es handelt sich offensichtlich um eine Art Zwerggitarre mit 8
Saiten, die hier in größerer Stückzahl hergestellt wird...Ohne
Netz kein Wikipedia...
3.5.2012
Alquile-Epizana
Ein fauler Tag. Erst bis halb neun
pennen, dann nur 32km fahren, um sich dann chauffieren zu lassen.
Aber das musste so. Aus Alquile rollt man schon nicht auf der besten
Straße, aber danach wird es erst richtig lustig. Der Stolz der
bolivianischen Steinsetzerinnung breitet sich vor uns aus. Ein Band
aus bösem Katzenkopfpflaster, in einer gepflegten Viererreihe an die
Landschaft geschmiegt, über Berg und Tal, kein Ende absehbar. Das
Ende kommt dann irgend wann, nach nur 74km, in Totora, einem
Marktflecken, eingebettet in grüne Hügel (die freilich alle ca.
3000m hoch sind). Aber die ganze Show geben wir uns nicht, der erste
LKW, der des holperigen Weges kommt, hält an und erlöst uns von
Popo-Aua, schmerzenden Handgelenken und beginnenden Rückenschmerzen.
Für umgerechnet 3€ pro Nase eine preiswerte Alternative, zumal man
von der Ladefläche unseres Taxis prima knipsen kann, was sich heute
mal wieder lohnt,und außerdem Sachen sieht, die einem auf dem Rad
wohl verborgen geblieben wären. Und sowieso wollte ich schon immer
mal so auf einem Laster mitfahren.
Epizana ist eigentlich nicht viel mehr
als eine Kreuzung auf 2900m, aber hier gibt es Pension, ein paar
Lädchen und vor allem Asphalt :-) Kaum eingecheckt, trifft ein
weiteres Reiseradlerpaar ein, nach kurzem Geplänkel auf Englisch
stellen wir muttersprachliche Gemeinsamkeiten fest. Sabine und Klaus,
eigentlich aus dem Rheinischen kommend, sind inzwischen den größten
Teil des Jahres als Reiseleiter in Neuseeland tätig, Bei Essen und
Bier wird fröhlich geplaudert, ein netter Abend!
4.6.2012
Epizana-Punata
Die halbe Nacht donnert uns die neue
Karaokemaschine der Herbergsmutter alle nur denkbaren und undenkbaren
Songs durch die Decke, nur mitsingen tut niemand, oder halt zu leise.
Der Chefin ist es egal, die Bude ist voll, und sie feiert den
Neuerwerb kräftig mit, woraufhin sie bei unserer Abreise echte Nöte
hat, die Zimmerrechnung von uns und den anderen Radfahrern getrennt
zu betrachten...Jaja, Teufel Alkohol ;-)
Wir verabschieden uns von Sabine und
Klaus, die in die andere Richtung, nach Santa Cruz, weiterfahren,
während unser Weg erst mal eine mehrstündige Kletterei westwärts
durch ein echt hübsches Tal bereithält. In einer kleine Welle zum
warmwerden und einer großen für die Höhenmetersammlung kurbeln wir
uns auf gut 3700m, die im Anschluss sofort wieder verbrannt werden.
Unser heutiges Tagesziel, Punata, liegt sogar noch etwas tiefer als
der Start auf einer Hochebene, die auf den ersten Blick keine
Augenöffner zeigt. Dafür sind wir in der Abfahrt beinahe vom Winde
verweht worden, Erinnerungen an die Befahrung des Mont Ventoux werden
wach, bei einem Fotostop schiebt es derartig von hinten, das ich die
Bremse festhalten muss, um nicht gemeinsam mit dem Packesel in den
Abgrund geweht zu werden – heftig!
5.6.2012
Punata-Cochabamba
Das Bett eine Wanne, die Hunde
überaufmerksam, irgendwas am Abendessen schlecht...keine gute Nacht.
Mit Übelkeit im Bauch und Schmerzen im Rücken kommt es grade recht,
das Cochabamba nur noch 45km weit weg ist, und das meist bergab. Der
Weg über die schon erwähnte Ebene ist unspektakulär, stark
befahren und – Überraschung: Pan Americana!!! Da waren wir zwar
gestern auch schon drauf unterwegs, aber das hatte ich nicht
realisiert.
Der erste Eindruck von Cochabamba ist
laut, stinkend, voll. Da meine Aufmerksamkeit vorläufig stark auf
Porzellan fokussiert ist, fällt der Nachmittagserkundungsgang aus...
Aber da wir morgen auch noch hier
bleiben, wird sich schon noch eine Gelegenheit ergeben die als
Boomtown beschriebene Halbmillionenstadt wenigstens im Ansatz besser
kennen zu lernen.
Pics:
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... scheint ja echt als lerntet ihr das wahre Leben dort kennen! Was will man mehr? (ok, ASPHALT vielleicht... das Katzenpflaster sieht ECHT fies aus!) Wünschen weiterhin weich polsternde und doch leicht rollende Reifen und nen starken Po!
AntwortenLöschenIch befürchte wir können uns nach Deiner Rückkehr nicht mehr in Deinem Windschatten verstecken - wenn Du schon von einem lauen Lüftchen fast weggeweht wirst ;-)
AntwortenLöschenWir beneiden Dich jedenfalls um die tollen Erfahrungen, Ein- und Ausblicke.