9.6.2012
Cochabamba
Nach unfreiwillig langer Pause ohne
größere Stadtbegehung bleibt mein erster Eindruck erhalten. Diese
Stadt ist laut, voll und stinkt. Hier ist jedes noch so kleine Moped
mit einer Hurratüte ausgerüstet, und selbst die Busse brüllen wie
ausgewachsene Dragster. Ich mag ja den Sound von dicken V8-Motoren,
aber wenn man krank im Bett liegt und deshalb nicht schlafen
kann...Der Gestank geht auch hauptsächlich auf den Verkehr zurück,
die größtenteils altertümlichen Triebwerke blasen unverbrannten
Kraftstoff in die Luft, als würde das Zeug nix kosten. Und da das
System Haltestelle sich hier nicht durchsetzen konnte, bleibt der
Verkehr natürlich in schöner Regelmäßigkeit hinter Bussen und
Taxis in den schmalen Straßen stehen. Da bin ich mal gespannt auf La
Paz, da soll das noch schlimmer sein...Aber nach einem ausgedehnterem
Spaziergang findet man doch noch schöne Ecken, ein großer Platz mit
schattenspendenden Bäumen, wo Indigenas frisch gepressten O-Saft
verkaufen, ein nettes Cafe, wo unaufdringliche Musik läuft, den
einfach unglaublichen Markt, der sich über mehrere Stadtviertel zu
ziehen scheint....aber laut, dreckig und stinkig bleibts...
10.6.2012
Cochabamba-Bergauf
Die Routine hat uns wieder. Nach noch
nicht 100% ausgestandener Darminfektion bin ich zwar noch nicht
wieder am Bäume ausreißen, aber ein bißchen Rad fahren wird schon
gehen...jaja...die ersten 40km geht es noch leicht bergab oder
geradeaus, aber schon bei der kleinsten Minirampe merke ich, das mein
Körper doch ziemlich gebeutelt ist. Irgendwie habe ich ein falsches
Höhenprofil vor meinem geistigen Auge, der Anstieg ist nicht nur
viel länger, sondern auch noch steiler als gedacht. Schönet Ding,
gleich so ein Hammer zum Wiedereinstieg. Wir klettern und klettern,
ich bin schon länger leise am schimpfen, bei ca. 3300m, gut 1000
mehr als am tiefsten Punkt, geht die Kurbel nicht mehr rum. Also
schlagen wir mit freundlicher Genehmigung der Hüttenbewohnerinnen,
die uns außerdem Bier verkaufen, am Wegesrand unsere Zelte auf. Erst
als die Zelte stehen, merken wir erst was für einen fantastischen
Ausblick unser heutiges Schlafzimmer hat. Da bin dann wohl an der
richtigen Stelle zusammengebrochen...;-)
11.6.2012
Bergauf-Confital
Bis auf einen hysterischen Kläffer,
der die halbe Nacht das Tal wach hält, wird unser Schlummer nicht
beeinträchtigt, selbst die Brummis, die ununterbrochen den des Weges
kommen, lullen uns eher in den Schlaf, als uns wachzuhalten.
So erholsam der Schlaf auch war, ich
mag eigentlich nicht aus meinem kuschelig warmen Schlafsack. Aber
hilft ja nix, aufstehen, frühstücken, packen, losfahren. Ab dem
ersten Meter bergauf, sacksteil, und das für ganz schön lange...Ich
bin immer noch nicht wieder richtig fit, also geht es, wie gestern
auch schon, im Tiptop-Schritt den Berg hinauf. Und oben, auf über
4000m, wartet die Sensation des Tages: Ein Passschild!!! Das
allererste in Südamerika, das ich sehe, dabei hatten wir ja schon
einiges an Pässen...Eine kurze Zwischenabfahrt inklusive
Mittagssuppe sorgt für kurzzeitige Erholung, dann geht der Spaß von
vorne los. Erstmal eine Weile ernsthaft klettern, dann eher welliges
Profil, garniert mit eiskaltem Wind aus allen Richtungen, einige
Wolken verdecken zwischendurch die Sonne, es werden zusätzlich
Bekleidungsschichten nötig. Kurz nach 17:00 treffen wir tiefgekühlt
in Confital ein, einem winzigen Ort mit einigen Restaurants, einer
Mautstation, aber keinem Hostal oder ähnlichem. Nach einigem Suchen
und Fragen dürfen wir in der Schule übernachten. Bis in „unser“
Klassenzimmer werden wir von einer Horde Kinder eskortiert, die sich
nicht fotografieren lassen, aber uns auch nicht in Ruhe umziehen
lassen wollen.
12.6.2012
Confital-Konani
In unserem Klassenzimmer ist es doch
noch recht frisch geworden, aber ein weiteres Mal macht vorgewärmte
Klamotte den Start in den Tag leichter. Flott die Räder bepackt, die
Möbel wieder zurecht gerückt, und ab zum Frühstück in einen
Laden, wo es gestern Abend schon Tee gab. Um 9:00 sitzen wir auf, um
den Rest, ca. 16km, des Cerro de la Cumbre zu erklimmen. Viel Höhe
fehlt Gott sei Dank nicht mehr, die letzten zwei Tage waren hart
genug. Heute sind meine Beine wieder da, der Rücken spielt auch mit,
die Nöte der letzten Tage verblassen spätestens am Passchild.
Immerhin gibt’s eins, normalerweise sind 4500m-Hügel dem
Bolivianer solche Mühe nicht wert, da baut man einfach eine Straße
drüber und gut ist. In den Wellen hinter dem Pass verschwindet die
Sonne hinter Wolken, und es wird schlagartig kalt. Garderobenstop,
Thermohosen, dicke Handschuhe und so werden zum
Einsatz gebracht. Dann geht es auf einer weiteren sehenswerten
Abfahrt zu Tal, im Nu sind 500hm verbrannt, dafür werden die
Temperaturen auch wieder erträglich, die Berge werden flacher, und
schlussendlich sind wir mal wieder auf einer weitläufigen Hochebene,
oder Altiplano, wie man hier sagt. Der Wind steht halbwegs brauchbar,
also fangen wir an, noch schnell ein paar Meilen zu fressen. Kurz vor
unserem heutigen Tagesziel ist sie dann da: Die von allen
Reiseführern, dem Auswärtigen Amt und sowieso jedem prophezeite
Straßenblockade, hierzulande offensichtlich ein beliebtes Mittel
zur politischen Meinungsbildung. In unserem Fall streiken Mineros für
bessere Arbeitsverhältnisse. Während sich vor der Blockade Busse
und LKW stauen, rollen wir unter lautstarkem Applaus einfach durch.
Da wird sich so mancher gedacht habe: Radfahrer müsste man sein...
Als Resultat der Blockade sind in
Konani alle Unterkünfte belegt, so landen wir wieder in einer
Schule, nur diesmal in einer Rumpelkammer, die ist dafür kuschelig
warm.
13.6.2012
Konani-Calamarca
Neugierig beobachten uns die Schüler
beim Beladen der Räder, die meisten grüßen freundlich, die Lehrer
stehen staunend auf dem Hof, wo mehrere Klassen irgendwie exerzieren.
Kurz hinter dem Ort ist dann die zweite Blockade, über Nacht haben
sich hier fast 10km lang Busse und LKW angestaut. Gut für uns, so
war die Nacht nicht nur warm, sondern auch leise. Die Stimmung am
Stau ist vergleichsweise entspannt, in Deutschland hätte sich längst
ein Lynchmob gebildet...
Die Straße zieht sich fast geradeaus
in langen Wellen dahin, die Unterschiede in der Landschaft sind
gering, hier hat der liebe Gott auch mit einer großen Bratpfanne
draufgehauen. Nach gut 90km landen wir in Calamarca, wo es mal wieder
keine Pensionen oder Hostels gibt. Das hatte uns der Wirt unseres
Mittagslokals zwar schon angekündigt, aber die Unterkünfte im Ort
10km zuvor sind alle belegt oder unverschämt teuer. Aber hier haben
wir echtes Glück, gleich die erste Anfrage bei einer deutschen
Stiftung für Weiterbildung und Technologie beschert uns ein Zimmer
mit Doppelstockbett, dem ersten eigenen Bad seit ewig, Fernseher
(pünktlich zur letzten Minute + Nachspielzeit des
Deutschland-Holland Spiels sind wir da) und angeschlossener
Gastronomie.
14.6.2012
Calamarca-La Paz
Das war der beste Schlafplatz seit
langem! Ruhig, gute Matratze, nicht zu kalt, daher gehen die Äuglein
auch erst mit leichter Verspätung auf. Macht nix, bis La Paz sind
nur noch ca. 60km übrig, also kein Grund in Hektik zu verfallen.
Dank der uns schon seit längerem begleitenden Baustelle zum Ausbau
der Verbindung La Paz – Oruro ist der Verkehr etwas nervig, aber
ansonsten ist es so ziemlich wie gestern: Rechts und links Altiplano,
welliges Profil. Aber bei Kilometer 15 gibt es dann endlich mal
wieder echte Berge mit Schnee drauf und so zu sehen. An deren Fuss
sieht man schon die Smogglocke von La Paz und El Alto, sozusagen eine
Zwillingsstadt. El Alto liegt oben auf dem Plateau während La Paz im
einem Tal liegt. Die Abfahrt über die Stadtautobahn verbrennt auf
dürftigem Belag gut 300 Höhenmeter, aber der Blick über die Stadt
ist schon geil...
Pics:
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Hi Robby, beruhigend zu lesen, dass es Dir gesundheitlich wieder besser geht .. aber sowas gehört halt auch dazu ;-) ... Gutes Weiterrollen !
AntwortenLöschenGruß
Lutz (und Mona)
Gute Heimreise, Großer!!!!! Komm gut zurück und wieder schnell - aber bloss nicht zu schnell - in den Berliner Alltag! Fühl dich geknuddelt! (ach, uns irgendwie schade natürlich, dass ich jetzt hier nicht weiterlesen kann!!!! ;o))
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