Donnerstag, 14. Juni 2012

Ein dickes Ding und viele Wellen


9.6.2012
Cochabamba

Nach unfreiwillig langer Pause ohne größere Stadtbegehung bleibt mein erster Eindruck erhalten. Diese Stadt ist laut, voll und stinkt. Hier ist jedes noch so kleine Moped mit einer Hurratüte ausgerüstet, und selbst die Busse brüllen wie ausgewachsene Dragster. Ich mag ja den Sound von dicken V8-Motoren, aber wenn man krank im Bett liegt und deshalb nicht schlafen kann...Der Gestank geht auch hauptsächlich auf den Verkehr zurück, die größtenteils altertümlichen Triebwerke blasen unverbrannten Kraftstoff in die Luft, als würde das Zeug nix kosten. Und da das System Haltestelle sich hier nicht durchsetzen konnte, bleibt der Verkehr natürlich in schöner Regelmäßigkeit hinter Bussen und Taxis in den schmalen Straßen stehen. Da bin ich mal gespannt auf La Paz, da soll das noch schlimmer sein...Aber nach einem ausgedehnterem Spaziergang findet man doch noch schöne Ecken, ein großer Platz mit schattenspendenden Bäumen, wo Indigenas frisch gepressten O-Saft verkaufen, ein nettes Cafe, wo unaufdringliche Musik läuft, den einfach unglaublichen Markt, der sich über mehrere Stadtviertel zu ziehen scheint....aber laut, dreckig und stinkig bleibts...

10.6.2012
Cochabamba-Bergauf

Die Routine hat uns wieder. Nach noch nicht 100% ausgestandener Darminfektion bin ich zwar noch nicht wieder am Bäume ausreißen, aber ein bißchen Rad fahren wird schon gehen...jaja...die ersten 40km geht es noch leicht bergab oder geradeaus, aber schon bei der kleinsten Minirampe merke ich, das mein Körper doch ziemlich gebeutelt ist. Irgendwie habe ich ein falsches Höhenprofil vor meinem geistigen Auge, der Anstieg ist nicht nur viel länger, sondern auch noch steiler als gedacht. Schönet Ding, gleich so ein Hammer zum Wiedereinstieg. Wir klettern und klettern, ich bin schon länger leise am schimpfen, bei ca. 3300m, gut 1000 mehr als am tiefsten Punkt, geht die Kurbel nicht mehr rum. Also schlagen wir mit freundlicher Genehmigung der Hüttenbewohnerinnen, die uns außerdem Bier verkaufen, am Wegesrand unsere Zelte auf. Erst als die Zelte stehen, merken wir erst was für einen fantastischen Ausblick unser heutiges Schlafzimmer hat. Da bin dann wohl an der richtigen Stelle zusammengebrochen...;-)

11.6.2012
Bergauf-Confital

Bis auf einen hysterischen Kläffer, der die halbe Nacht das Tal wach hält, wird unser Schlummer nicht beeinträchtigt, selbst die Brummis, die ununterbrochen den des Weges kommen, lullen uns eher in den Schlaf, als uns wachzuhalten.
So erholsam der Schlaf auch war, ich mag eigentlich nicht aus meinem kuschelig warmen Schlafsack. Aber hilft ja nix, aufstehen, frühstücken, packen, losfahren. Ab dem ersten Meter bergauf, sacksteil, und das für ganz schön lange...Ich bin immer noch nicht wieder richtig fit, also geht es, wie gestern auch schon, im Tiptop-Schritt den Berg hinauf. Und oben, auf über 4000m, wartet die Sensation des Tages: Ein Passschild!!! Das allererste in Südamerika, das ich sehe, dabei hatten wir ja schon einiges an Pässen...Eine kurze Zwischenabfahrt inklusive Mittagssuppe sorgt für kurzzeitige Erholung, dann geht der Spaß von vorne los. Erstmal eine Weile ernsthaft klettern, dann eher welliges Profil, garniert mit eiskaltem Wind aus allen Richtungen, einige Wolken verdecken zwischendurch die Sonne, es werden zusätzlich Bekleidungsschichten nötig. Kurz nach 17:00 treffen wir tiefgekühlt in Confital ein, einem winzigen Ort mit einigen Restaurants, einer Mautstation, aber keinem Hostal oder ähnlichem. Nach einigem Suchen und Fragen dürfen wir in der Schule übernachten. Bis in „unser“ Klassenzimmer werden wir von einer Horde Kinder eskortiert, die sich nicht fotografieren lassen, aber uns auch nicht in Ruhe umziehen lassen wollen.


12.6.2012
Confital-Konani

In unserem Klassenzimmer ist es doch noch recht frisch geworden, aber ein weiteres Mal macht vorgewärmte Klamotte den Start in den Tag leichter. Flott die Räder bepackt, die Möbel wieder zurecht gerückt, und ab zum Frühstück in einen Laden, wo es gestern Abend schon Tee gab. Um 9:00 sitzen wir auf, um den Rest, ca. 16km, des Cerro de la Cumbre zu erklimmen. Viel Höhe fehlt Gott sei Dank nicht mehr, die letzten zwei Tage waren hart genug. Heute sind meine Beine wieder da, der Rücken spielt auch mit, die Nöte der letzten Tage verblassen spätestens am Passchild. Immerhin gibt’s eins, normalerweise sind 4500m-Hügel dem Bolivianer solche Mühe nicht wert, da baut man einfach eine Straße drüber und gut ist. In den Wellen hinter dem Pass verschwindet die Sonne hinter Wolken, und es wird schlagartig kalt. Garderobenstop, Thermohosen, dicke Handschuhe und so werden zum Einsatz gebracht. Dann geht es auf einer weiteren sehenswerten Abfahrt zu Tal, im Nu sind 500hm verbrannt, dafür werden die Temperaturen auch wieder erträglich, die Berge werden flacher, und schlussendlich sind wir mal wieder auf einer weitläufigen Hochebene, oder Altiplano, wie man hier sagt. Der Wind steht halbwegs brauchbar, also fangen wir an, noch schnell ein paar Meilen zu fressen. Kurz vor unserem heutigen Tagesziel ist sie dann da: Die von allen Reiseführern, dem Auswärtigen Amt und sowieso jedem prophezeite Straßenblockade, hierzulande offensichtlich ein beliebtes Mittel zur politischen Meinungsbildung. In unserem Fall streiken Mineros für bessere Arbeitsverhältnisse. Während sich vor der Blockade Busse und LKW stauen, rollen wir unter lautstarkem Applaus einfach durch. Da wird sich so mancher gedacht habe: Radfahrer müsste man sein...
Als Resultat der Blockade sind in Konani alle Unterkünfte belegt, so landen wir wieder in einer Schule, nur diesmal in einer Rumpelkammer, die ist dafür kuschelig warm.

13.6.2012
Konani-Calamarca

Neugierig beobachten uns die Schüler beim Beladen der Räder, die meisten grüßen freundlich, die Lehrer stehen staunend auf dem Hof, wo mehrere Klassen irgendwie exerzieren. Kurz hinter dem Ort ist dann die zweite Blockade, über Nacht haben sich hier fast 10km lang Busse und LKW angestaut. Gut für uns, so war die Nacht nicht nur warm, sondern auch leise. Die Stimmung am Stau ist vergleichsweise entspannt, in Deutschland hätte sich längst ein Lynchmob gebildet...
Die Straße zieht sich fast geradeaus in langen Wellen dahin, die Unterschiede in der Landschaft sind gering, hier hat der liebe Gott auch mit einer großen Bratpfanne draufgehauen. Nach gut 90km landen wir in Calamarca, wo es mal wieder keine Pensionen oder Hostels gibt. Das hatte uns der Wirt unseres Mittagslokals zwar schon angekündigt, aber die Unterkünfte im Ort 10km zuvor sind alle belegt oder unverschämt teuer. Aber hier haben wir echtes Glück, gleich die erste Anfrage bei einer deutschen Stiftung für Weiterbildung und Technologie beschert uns ein Zimmer mit Doppelstockbett, dem ersten eigenen Bad seit ewig, Fernseher (pünktlich zur letzten Minute + Nachspielzeit des Deutschland-Holland Spiels sind wir da) und angeschlossener Gastronomie.

14.6.2012
Calamarca-La Paz

Das war der beste Schlafplatz seit langem! Ruhig, gute Matratze, nicht zu kalt, daher gehen die Äuglein auch erst mit leichter Verspätung auf. Macht nix, bis La Paz sind nur noch ca. 60km übrig, also kein Grund in Hektik zu verfallen. Dank der uns schon seit längerem begleitenden Baustelle zum Ausbau der Verbindung La Paz – Oruro ist der Verkehr etwas nervig, aber ansonsten ist es so ziemlich wie gestern: Rechts und links Altiplano, welliges Profil. Aber bei Kilometer 15 gibt es dann endlich mal wieder echte Berge mit Schnee drauf und so zu sehen. An deren Fuss sieht man schon die Smogglocke von La Paz und El Alto, sozusagen eine Zwillingsstadt. El Alto liegt oben auf dem Plateau während La Paz im einem Tal liegt. Die Abfahrt über die Stadtautobahn verbrennt auf dürftigem Belag gut 300 Höhenmeter, aber der Blick über die Stadt ist schon geil...


Pics:

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Tracks:

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2 Kommentare:

  1. Hi Robby, beruhigend zu lesen, dass es Dir gesundheitlich wieder besser geht .. aber sowas gehört halt auch dazu ;-) ... Gutes Weiterrollen !

    Gruß
    Lutz (und Mona)

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  2. Gute Heimreise, Großer!!!!! Komm gut zurück und wieder schnell - aber bloss nicht zu schnell - in den Berliner Alltag! Fühl dich geknuddelt! (ach, uns irgendwie schade natürlich, dass ich jetzt hier nicht weiterlesen kann!!!! ;o))

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